WHO DESERVES OUR SYMPATHY?  VICTIMS OF TERRORISM AND SOCIETY IN THE MODERN AGE

WEM GEBÜHRT UNSER MITLEID?  TERRORISMUSOPFER UND GESELLSCHAFT IN DER MODERNE

WHO DESERVES OUR SYMPATHY?  VICTIMS OF TERRORISM AND SOCIETY IN THE MODERN AGE

WEM GEBÜHRT UNSER MITLEID?  TERRORISMUSOPFER UND GESELLSCHAFT IN DER MODERNE

Zweiter Nationaler Gedenktag für Terrorismusopfer am 11. März 2023

Letzte Woche wurde der Nationale Gedenktag für die Opfer terroristischer Gewalt erstmalig mit Publikum und im Beisein von Betroffenen begangen. Im Rahmen unseres Forschungsprojekts hat Ezra Rudolph die Gedenkstunde besucht. Ein kurzer Bericht:

Nachdem der erste deutsche Gedenktag 2022 kurzfristig und pandemiebedingt ohne Publikum und Betroffene stattfand, haben das Protokoll Inland und das Team des Beauftragten der Bundesregierung für die Opfer terroristischer Straftaten im Inland den Tag in diesem Jahr mit einer Gedenkstunde in Berlin organisiert. Die Gedenkveranstaltung fand am Samstag, dem 11. März 2023, von 14 bis 15 Uhr im Berlina AXICA Kongress-und Tagungszentrum, Pariser Platz, statt. Zu den Gästen gehörten neben offiziellen Vertretern vor allem Betroffene.

Ich habe den Gedenktag als bedacht und selbstkritisch erlebt. Kurze Gespräche mit Betroffenen ergaben ein ambivalentes Bild aus positiven und kritische Stimmen. Zu Konflikten kam es bereits im Vorfeld der Veranstaltung. Opfer rechter Gewalt hatten in einem offenen Brief ihren Unmut über den in ihren Augen rein symbolpolitischen Gedenktag geäußert. Unter anderem kritisierten sie das gemeinsame Gedenken an Opfer rechten, linken und islamistischen Terrorismus. Auch der Umstand, dass die Perspektive der Opfer in Form eines Films statt in eigenen Redebeiträgen berücksichtigt wurde, sorgte bei manchen für Unmut. Einige Betroffene waren deshalb nicht angereist.

Einige der beobachteten Konflikte lassen sich durch die spezifischen Charakteristika terroristischer Viktimisierung erklären: Die Heterogenität der Opfer, die Doppelfunktion der Regierung als Führsorgeleisterin und symbolisch Angegriffene und die daraus resultierende Spannung unterschiedlicher Bedürfnisse im Gedenken.

Neben Reden von Justizminister Marco Buschmann, Bundespräsident Joachim Gauck, sowie des Bundesopferbeauftragten Pascal Kobler bildete ein Film den Mittelpunkt des Gedenkens, der der Perspektive der Betroffenen Raum gab. Deutsche Überlebende sowie An- und Zugehörige der Anschläge in Hanau, München, Berlin, Brüssel und Istanbul, der Landshut-Geiselnahme sowie der NSU-Morde teilten ihre Erfahrungen und erhoben Kritik an der mangelnden Führsorge und würdelosen Behandlungen durch Behörden, an bürokratischer Kälte und lückenhafte Aufarbeitung. Hier zeigt sich eine deutsche Besonderheit. Bewusst wurde die Kritik der Betroffenen in den Mittelpunkt des staatlichen Gedenkens gestellt. Pascal Kobler hierzu: „Heute ist nicht nur ein Tag, an dem das Gedenken einen Raum hat – sondern auch das offene Wort“. Auch Marco Buschmann räumte ein, dass die Bundesregierung Behördenversagen anzuerkennen und Änderungen vorzunehmen habe. Die Reden nahmen Bezug auf die bereits im Vorfeld des Gedenktages geäußerte Kritik von Betroffenen.

In diesem Konflikt zwischen Politik und Betroffenen spiegelt sich eine grundlegende Frage staatlichen Gedenkens an Terrorismus. An wen richtet sich das Gedenken?

Terrorist*innen attackieren ihre Opfer als Stellvertreter*innen einer politischen Ordnung. Als gewaltsame Kommunikationsstrategie missbraucht Terrorismus seine Opfer als „Botschaftsvehikel“ (P. Waldmann), um Angst und Schrecken zu verbreiten und die politische Ordnung zu schwächen. Diese Viktimisierung adressiert zugleich mehrere gesellschaftliche Akteure. Dieser Umstand hat nicht nur Konsequenzen für die unmittelbar von der Gewalt Betroffenen, die unweigerlich Teil der Deutungskämpfe sind, die durch Anschläge ausgelöst werden. Er verkompliziert auch das Gedenken, bei dem sich konkurrierende Interessen überlagern. In ihrer Rolle als angegriffene Stellvertreter der politischen Ordnung äußern viele Betroffene ein Bedürfnis nach Anerkennung ihres es spezifischen Leids, nach empathischer staatlicher Fürsorge und einem Mitspracherecht in Gedenkfragen. Der symbolisch angegriffenen Regierung ist daran gelegen, öffentlich Stärke und Zusammenhalt zu behaupten, um der terroristischen Angstpolitik entgegenzuwirken, bei der Bevölkerung für ihre Counterterrorism-Policy zu werben und eine anschlussfähige Erzählung anzubieten.

Die Erzählung des diesjährigen Gedenktags würde ich in der Gesamtschau der Beiträge als die eines lernenden und selbstkritischen Gemeinwesens beschreiben. Ein in der bundesdeutschen Terrorismusgeschichte junges Narrativ. Prof. Petra Terhoeven macht mit Blick auf die Geschichte des Linksterrorismus deutlich, dass lange Zeit vor allem Geschichten eines starken Staates dominierten, in denen den unmittelbar Betroffenen die Statistenrolle der dankbar Gerettete oder demütig Trauernden zukam.

Hinzu kommt der Umstand, dass Terrorismusopfer eine denkbar heterogene Gruppe sind. Dies resultiert in unterschiedlichen Wünschen und Forderungen an eine nationale Gedenkveranstaltung. Deutlich wurde dies vor allem in meinen Gesprächen mit Betroffenen am Rande der Gedenkveranstaltung. Diese Heterogenität zeigt sich zum Beispiel in der Frage, wie den Opfern unterschiedlicher Terrorismusformen zu gedenken sei. Opfer rechter Gewalt hatten das übergreifende Gedenken kritisiert, da es das Spezifikum rechter Gewalt vernachlässige. Denn dieser attackiert bewusst nicht die Mehrheitsgesellschaft, sondern Minderheiten Ebenfalls ein Problem stelle das gemeinsame Gedenken an islamistischen und rechten Terror dar, denn rechter Terror sei schließlich auch antimuslimisch.

Die Organisator*innen betonen hingegen, dass Ihnen vor allem daran gelegen sei, keine implizite Hierarchisierung der Opfer vorzunehmen. Während es sich hier um kaum aufzulösende Konflikte handelt, die nur durch eine großzügig im Voraus organisierte Einbindung diverser Betroffener entspannt werden können, zeigen sich jedoch auch Wünsche der Betroffenen, die in der weiteren Planung berücksichtigt werden können: Den mitfühlenden Worten müssten Taten folgen. Es brauche klarere Zuständigkeiten, einen empathischeren Umgang mit Behörden, vereinfachtere Zugänge zu Hilfeleistungen und mehr Bewusstsein für die spezifischen Bedürfnisse von Opfern terroristischer Gewalt.

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