WHO DESERVES OUR SYMPATHY?  VICTIMS OF TERRORISM AND SOCIETY IN THE MODERN AGE

WEM GEBÜHRT UNSER MITLEID?  TERRORISMUSOPFER UND GESELLSCHAFT IN DER MODERNE

WHO DESERVES OUR SYMPATHY?  VICTIMS OF TERRORISM AND SOCIETY IN THE MODERN AGE

WEM GEBÜHRT UNSER MITLEID?  TERRORISMUSOPFER UND GESELLSCHAFT IN DER MODERNE

Das Projekt

Die Bedrohung durch Terrorismus gilt als eine der dringlichsten Herausforderungen unserer Gegenwart. Es handelt sich aber keineswegs um ein neues Phänomen. Schon seit dem 19. Jahrhundert sehen sich Gesellschaften mit dieser speziellen Form der politischen Gewalt konfrontiert.

Als ‚Terrorismus’ bezeichnet man für gewöhnlich planmäßig vorbereitete, schockierende Gewaltanschläge gegen eine politische Ordnung aus dem Untergrund. Die Täter*innen wollen nicht nur Angst, Schrecken und Empörung verbreiten, sondern auch Sympathie und Unterstützungsbereitschaft für sich und ihre Anliegen erringen. Da Terrorismus also im Kern eine politische Kommunikationsstrategie darstellt, kommt den Medien, die über die Taten berichten, für deren Wirkung eine Schlüsselrolle zu.

Die Opfer terroristischer Gewalt werden in der Logik der Täter*innen zu reinen Botschaftsvehikeln degradiert. Statt als Individuen werden sie als Repräsentant*innen einer bestimmten Gruppe angegriffen, oft auch als Stellvertreter des Staates selbst. In jüngster Zeit geht es Terrorist*innen manchmal auch schlicht um die Schockwirkung, die durch die Verletzung oder Tötung einer besonders großen Zahl von Menschen entsteht.

Die prinzipiell willkürliche Auswahl der Anschlagsziele ist ein Grund dafür, dass sich die Terrorismusforschung bisher überwiegend auf die Täter*innen konzentriert hat. Welche Folgen ein Anschlag hat und wie effizient er als Akt politischer Kommunikation im Sinne seiner Urheber funktioniert, hängt aber immer auch, so unsere These, von der Auswahl und Behandlung der Opfer sowie von ihrer Wahrnehmung und Anerkennung durch die Öffentlichkeit ab.

Nicht zuletzt aus der in den letzten Jahren gewachsenen Sensibilität für die Folgen von Gewalt – auch für die oft lebenslang gezeichneten Überlebenden und die Angehörigen der Toten – leiten sich zudem ganz neue Fragen an die Geschichte ab, denen dieses Projekt Rechnung tragen möchte.

Fragen und Ziele

Opfer terroristischer Anschläge sind nicht einfach da. Sie werden im Rahmen mediengesteuerter politischer Deutungskämpfe “gemacht”. Das erste Ziel des Projektes ist es, die Geschichte dieser Prozesse zu erforschen. Wer wird überhaupt als Opfer wahrgenommen, um das es zu trauern, das es zu unterstützen und mit dem es zu leiden gilt? Was sind umgekehrt für die Sympathisanten ‚legitime’ Ziele? Und wie geht der Staat mit dem Leid und den Verlusten von Menschen um, die nur deshalb zu Opfern geworden sind, weil er selbst, der Staat, die eigentliche Angriffsfläche ist?

Einerseits deutet vieles darauf hin, dass es sich bei einer Geschichte der Opfer terroristischer Gewalt um eine Geschichte vielfacher, sich überlagernder Instrumentalisierungen handelt: Nach dem drastischen Missbrauch durch die Terrorist*innen haben sich fast immer auch Medien und Politik auf ihre Weise der Opfer bedient. Zudem scheinen sich gesellschaftliche Hierarchien im Umgang mit ihnen zu reproduzieren und zu verstärken, so dass es Opfer ‚erster’ und ‚zweiter Klasse’ gibt. Andererseits zeigen jüngere Beispiele, dass manche Betroffene unter bestimmten Umständen – z.B. mit Hilfe einflussreicher Verbündeter – auch eigene Handlungsmacht entwickeln können.

Die Perspektive auf die Opfer soll Vergleiche zwischen unterschiedlichen historischen Gesellschaften und Formen von Terrorismus ermöglichen.

Anders als bisher sollen sich diese nicht an den Motiven und Legitimationsstrategien der Täter*innen orientieren. Dabei soll ebenso nach transnationalen Entwicklungen wie nach nationalen Pfadabhängigkeiten und situativen Dynamiken Ausschau gehalten werden. Methodisch werden vor allem Anregungen aus der Moral History – also der Geschichte von Normen, Werten und Rechten – sowie der Geschichte der Gefühle aufgegriffen.

Wem gebührt unser Mitleid? - Der Podcast

Heutige öffentliche Debatten über den Terrorismus und seine angemessene Bekämpfung werden trotz der langen globalen Geschichte terroristischer Gewalt meist auf die nationale Ebene verkürzt und ohne historische Fundierung geführt.

Deshalb ist es das zweite Ziel dieses Projektes, einen öffentlichen Dialog zwischen Historiker*innen und relevanten gesellschaftlichen Akteur*innen im In- und Ausland zu befördern. In dessen Mittelpunkt soll die Perspektive der Opfer und die Fürsorgepflicht von Staat und Gesellschaft stehen. Beteiligt werden Wissenschaftler*innen anderer Disziplinen, Journalist*innen, Jurist*innen, Politiker*innen, Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie Betroffene selbst.

Dieser Dialog soll Interessierten vor allem über einen Podcast zugänglich gemacht werden, um:

  • das Bewusstsein für die Komplexität gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse von Opferschaft zu erhöhen
  • die historische Tiefendimension heutiger Problemkonstellationen sichtbar zu machen
  • die Gesellschaft für die spezifischen Perspektiven und Bedürfnisse von Opfern terroristischer Gewalt zu sensibilisieren
  • zu betonen, dass der Status von Opfern terroristischer Gewalt auch in Zukunft prinzipiell prekär bleiben wird und besonderer Aufmerksamkeit bedarf

Denn die Antwort auf die Frage, wem in einer Gesellschaft Mitleid gebührt, wem es gewährt und wem es vorenthalten wird, hängt von vielen Faktoren ab, die ihrerseits historisch wandelbar sind.

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